Das war unsere
Hardangervidda Tour
in Norwegen
Sommer 2019
in Norwegen
Sommer 2019

Expeditionstraining in Norwegen

Ein Erfahrungsbericht
„Leute! Bleibt in euren Zelten, das Frühstück kommt zu euch!“, schreie ich in den Regen, der mir ins Gesicht peitscht und lehne mich gegen den Wind, um nicht davongetragen zu werden. Das Frühstück wie in den letzten Tagen unter unserem Tarp zuzubereiten und dort gemeinsam zu essen wäre unter diesen Umständen nicht nur ungemütlich sondern schlichtweg fahrlässig. Nässe und Wind würden uns zu sehr auskühlen.
Peschäs Hilleberg Zelt, von uns liebevoll „die Hilleburg“ genannt, ist nicht nur das einzige Zelt, das wie ein Felsen im Sturm steht als wäre er ein laues Lüftchen sondern auch jenes, dessen Vorzelt groß genug zum Frühstück kochen ist. Während Peschä und Franzi hinter uns in ihren Schlafsäcken dösend den einen oder anderen Scherz in unsere Richtung schieben, zwängen Kosta und ich uns ins Vorzelt und machen uns an die Arbeit. An Tagen wie diesen ist es besonders wichtig, dass die Gruppe bei Laune bleibt. Deshalb gibt es Milchreis mit einer Extraportion Zimt und Zucker- mhmm, sowie Tee und Kaffee. Nun wieder raus aus dem schützenden Zelt, in den Sturm hinaus. Jedes Zelt bekommt eine ordentliche Portion.
Nachdem wir uns selber eine Portion genehmigt haben, gehe ich das Geschirr aller abwaschen. Björn hat sich aus seinem Zelt gewagt und hilft mir. Das Wasser ist eiskalt. Die Devise ist: In Bewegung bleiben!
Ab nun muss alles schnell gehen. Das Kommando lautet „Anziehen, Rucksäcke (fast) fertig packen und im Zelt warten“. 15 Minuten später rufe ich alle aus ihren Zelten heraus, um Letztere zusammenzupacken. Während ich Martin und Iris beim Abbauen ihres Zeltes helfe, rufe ich im Scherz Martin zu „Wenn du in den See schwimmen gehst, bekommst du meinen Feuerstahl!“. Der See- auf der anderen Seite kalbte der Gletscher hinein, sodass mit den darin treibenden Eisblöcken echtes Grönlandfeeling entstand- war besonders bei diesen Bedingungen alles andere als einladend. Martin hat aber nicht vor, den Scherz als solchen zu verstehen. Er sieht mich- entzückt von der Idee- nur an und meint, ich solle meinen Feuerstahl behalten und mit ins Wasser gehen.
Schnell hat sich die Neuigkeit herumgesprochen und auch Stefan und Michael („Ich musste meiner Freundin versprechen, keine Dummheiten zu machen“) sind dabei. Mitgehangen, mitgefangen, denke ich und als der letzte Rucksack fertig gepackt ist, gehen wir die 150 Meter hinunter zum See. Jeweils einem anderen Mitglied der Gruppe geben wir unsere Handtücher und unsere Kleidung in der später benötigten Reihenfolge. So, und nun Augen zu und durch! Schnell rein. Kurz abwaschen. Wieder raus. Handtuch! Anziehen. Rucksack schultern und los! Bewegung ist, was alle jetzt benötigen. Wahrscheinlich ist uns vieren durch den Kälteschock und die automatische Reaktion unserer Körper wärmer als denen, die währenddessen im Wind gewartet haben.
Aber Stopp, alles der Reihe nach. Eigentlich ging die Tour so los, wie Trekking eben so ist. Entspannt, langsam. Nachdem Kosta und ich am Ankunftsnachmittag eine ausführliche Einführung in Ausrüstungscheck, und Rucksack packen gegeben haben, allen unsere Medikits erklärt und alle Fragen beantwortet haben, ging es dann am nächsten Morgen mit dem Bus nach Kinsarvik, dem Ausgangspunkt der Tour.
Das Wetter war traumhaft, warm, trocken, beste Sicht. Die Stimmung geladen mit Vorfreude. Schon bald nach dem Losgehen ergaben sich die ersten, tiefsinnigen Gespräche, ein guter Start in eine besondere Tour. Nachdem wir die letzten Zeugnisse der Zivilisation hinter uns gelassen hatten, begannen lichte Wälder unseren Weg zu säumen, vorbei an tosenden Wasserfällen, die zu den eindrucksvollsten der ganzen Touren zählen. Mittagspause. Ein kurzes Bad im kalten Gebirgsbach, ich sehe: Ja, wir haben die richtigen TeilnehmerInnen auf die Tour mitgenommen. Dann geht’s weiter. Und wie das so ist, kommt nach dem anfänglichen Enthusiasmus die Realisierung, dass ein 25kg- Rucksack schwer ist. Der erste Tag der Hardangervidda- Tour ist gleichzeitig deren anstrengendster, die Feuertaufe. Nein, der letzte, anstrengendste Anstieg dieser Tagesetappe müsste theoretisch nicht sein. Aber der Ausblick, der sich- oben angekommen- bei Sonnenuntergang bietet ist atemberaubend. Wenn das ganze Tal in goldenes Licht getaucht wird, vergisst man die Strapazen des Tages. Die Botschaft, die bei allen ankommt, lautet: Auch, wenn die Anstrengung groß ist, es lohnt sich! Und zwar sowas von!
Und am nächsten Tag erkannten wir, dass Trekking auch gemütlich sein kann. Nachdem wir am Vortag das Plateau der Hochebene erreicht hatten, konnten wir nun auch mal geradeaus gehen. Die Ebene öffnete sich und wir wanderten vorbei an gewaltigen Felsmassiven weiter hinein, an einer letzten Wandervereinshütte vorbei, die Zivilisation nun endgültig hinter uns lassend. Abends erreichten wir einen wunderschönen See, an dem wir unser Camp errichteten.
Die folgenden Tage waren geprägt von atemberaubenden Landschaften, purem Naturerlebnis beim Überqueren von Gebirgsflüssen und Baden in Seen. Wir beschäftigten uns mit Kartennavigation und Feuermachen (ohne Feuerzeug!), Essen, Wandern, Staunen. Das ist das Schöne am Trekking. All diese abstrakten Alltagssorgen rücken in weite Ferne und die Probleme, mit denen man sich auseinandersetzt werden plötzlich ganz real, greifbar und lösbar: Wann essen wir? Wo schlafen wir? Und: Kann ich diesen Fluss mit trockenen Füßen überqueren? Ein kulinarisches Highlight, das sicher auch wieder für nächstes Jahr ins Programm aufgenommen wird, war Bannock! Dieses ursprünglich schottische Gericht ist dünner Brotteig, der (bei unserer- der besten- Variante) direkt in der Glut gebacken wird. Kombiniert mit Parmesan und Speck gibt es kaum etwas Leckereres auf Tour.
Zwar gab es bei einzelnen Teilnehmern immer wieder mal ein Sprunggelenk zu tapen oder ein Knie zu stützen (Danke, Lukas!), aber insgesamt gewöhnten sich unsere Körper an die Belastung, während die Rucksäcke immer leichter wurden.
An Tag 5 eröffnete sich uns zum ersten Mal der Blick auf den Gletscher Hardangerjøkulen. Dieser imposante Eispanzer wurde von nun an unser ständiger Begleiter. Schon aus der Ferne thronte er über unserem Nachtlager. Am nächsten Tag machten wir uns auf den Weg, ihn wirklich aus der Nähe zu betrachten, landschaftlich war dieser Tag nicht zu übertreffen. Schroffe, majestätische Felsmassive, wilde Wasserläufe, dazwischen der Gletscher und am Abend beim Nachtlager sogar Ausblick hinunter auf den Fjord.
Dann ging es weiter Richtung Finse, dem Ziel unserer Tour. Der Wind frischte auf. Mondlandschaften, vereinzelt herumliegende Holzstücke über deren Weg hier herauf wir uns vergeblich die Köpfe zerbrochen. Ansonsten so weit das Auge reichte Fels und Schotterhalden. Und irgendwann, am Ende dieses Tages erreichten wir einen Gletschersee mit Grönlandfeeling, an dem wir bei starkem Wind unser Nachtlager aufschlugen…
Nach dem abenteuerlichen Start in den letzten Tag unserer Tour machten wir uns auf den Weg hinunter nach Finse, einem kleinen malerischen Dorf am Ufer des Finsevatnet. Auch dieser See wird von dem Gletscher gespeist, der über der Ortschaft thront. Dort angekommen gab es in der Hütte des Wandervereins erst einmal einen Tee und für alle, die es schon schmerzlich vermisst hatten: Bier.
Nach einer letzten Nacht im Freien ging es dann am nächsten Tag mit dem Zug zurück zum Campingplatz, dem Ausgangspunkt unserer Tour.
Erkenntnisse der Norwegen- Tour:
- Auf solchen Touren benötigt es wenig Unterhaltungsprogramm: Die Natur kann’s eh viel besser.
- Frauen sind die unkomplizierteren Teilnehmerinnen.
- Teilnehmer, die sich schon vor der Tour in der TeilnehmerInnen- Whatsapp Gruppe durch gepflegten Humor ausgezeichnet haben, werden auch auf Tour für gute Stimmung sorgen.
- Ein Stück Schoki kann stimmungsmäßig Wunder bewirken.
- Linsencurry ist ein ausgezeichnetes Trekkinggericht- solange man es nicht zu oft isst.
- Bannock hingegen eignet sich sowohl als Abendessen als auch zum Frühstück und zu Mittag.
Text von Moritz Schachner