Das X-ABCDE-Schema: Erste Hilfe im Outdoorbereich

 In outdoor

Aktivitäten im Outdoor-Bereich können mit verschiedenen Risiken verbunden sein. So kann es beim Trekking, Klettern und anderen Outdoor-Aktivitäten passieren, dass man plötzlich in eine Notsituation gerät, in der man Erste Hilfe leisten muss. In solchen Momenten ist es wichtig, vorbereitet zu sein, und über Grundkenntnisse der Ersten Hilfe zu verfügen. So kann schnell und effektiv Erste Hilfe geleistet werden. Dabei ist eine bewährte Methode, um den Zustand einer verletzten Person zu beurteilen sowie richtige Maßnahmen zu ergreifen das X-ABCDE-Schema. In diesem Blogbeitrag erfährst du mehr über das X-ABCDE-Schema und wie dieses im Outdoor-Bereich verwendet wird.

Die Fotos in diesem Artikel stammen von unseren Outdoor Erste Hilfe Kursen und sind gestellt. Es sind keine realen Verletzungen oder Notsituationen.

Warum das X-ABCDE-Schema?

Die Buchstaben aus dem X-ABCDE-Schema sind Abkürzungen für die wichtigsten Schritte, die es in der Ersten Hilfe vorzunehmen gilt. Diese Schritte sind nach Prioritäten geordnet. Ganz nach der Regel, „Behandle zuerst das, was zuerst tötet“. Das Schema folgt somit einer klaren Reihenfolge, sodass das Lebensbedrohlichste zuerst behandelt werden muss. Das bedeutet: während der Notfallversorgung an der verletzten Person kommt zuerst der Buchstabe X zuletzt der Buchstabe E.

Wann ist das X-ABCDE-Schema sinnvoll?

Outdoor Erste Hilfe Set auf einem Tuch ausgebreitetIm Outdoorbereich kann das X-ABCDE-Schema in unterschiedlichen Situationen hilfreich sein. So kann es während einer Wanderung oder einer Trekkingtour zu Verletzungen und Notfallsituationen mit unterschiedlicher Ausprägung kommen. Gründe dafür können ein Sturz, schwerwiegende Wettereinflüsse (Hitze, Kälte), Steinschlag, Vergiftungen, Tier- oder Insektenbisse, Verbrennungen sowie Verletzungen mit einem Messer oder auch zum Beispiel mit einer Axt sein, weshalb schnell und effektiv Erste Hilfe geleistet werden muss. Eine richtige Anwendung des X-ABCDE-Schemas ist dabei entscheidend, um angepasste Sofortmaßnahmen zu ergreifen. Wichtig ist natürlich zu prüfen ob es wirklich notwendig ist, das X-ABCDE-Schema anzuwenden. Handelt es sich um eine kleine Schnittwunde am Finger und es liegen laut sicheren Aussagen der betroffenen Person oder Zeug*innen keine weiteren Probleme vor, kann beispielsweise auf das Schema verzichtet werden.

Vor der Anwendung beachtet Folgendes:
Bevor das X-ABCDE-Schema zum Einsatz kommt, gilt es sich in kürzester Zeit einen Überblick über die Situation und die verletzte Person zu verschaffen, sowie die eigene Sicherheit und die Sicherheit der verletzten Person zu berücksichtigen. Weitere Gefahrenquellen von außen sind auszuschließen. Wenn mehrere Personen gleichzeitig Erste Hilfe leisten können, sollte sich eine Person bei Möglichkeit umgehend um die Verständigung externer Rettungskräfte bemühen. Bei einem akuten X-Problem muss dringlichst gehandelt werden, weshalb hier auch ein Notruf erst zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen kann, wenn keine weitere Person anwesend ist. Auch ist wichtig, unbedingt bei der Ersten Hilfe darauf zu achten, Unterkühlung (Hypothermie) zu verhindern.

Wofür steht welcher Buchstabe?

X – Exsanguation bzw. Ausblutung

Einem Freiwilligen wird zur Übung ein Druckverband am Unterarm angelegtEs gilt, eine oder mehrere akut lebensbedrohliche Blutungen, die die Vitalfunktion der verletzten Person beeinträchtigen könnten, sofort als erstes, noch vor der Sicherung der Atemwege, zu versorgen. Es nützt nichts, die Atemwege frei zu machen, wenn die verletzte Person verblutet, weshalb bei Trauma, also einer starken Verletzung mit bedrohlich starker Blutung, diese zuerst behandelt werden muss. Dazu werden die Extremitäten des/der Verletzten gründlich und schnell abgesucht. Extremitäten sind die Arme und die Beine, hier gilt es wirklich gründlich zu arbeiten, indem man mit den eigenen Händen die Extremitäten komplett vollständig untersucht.
Maßnahmen bei einem X-Problem, also einer starken Blutung an Armen oder Beinen, sind Folgende:

  1. Druck ausüben auf die Verletzung, manuelle Kompression
  2. Druckverband
  3. Israeli Bandage (kommerzielle Form des Druckverbandes)
  4. Tourniquet (Abbindesystem, durch das der Blutfluss in den Venen und Arterien gestaut oder vollständig unterbrochen werden kann)

Bei einem X-Problem gilt es die Schwere der Blutung abzuschätzen. Kann die Blutung nicht durch einen Druckverband oder durch eine Anwendung einer Israeli Bandage gestoppt werden, gilt als Maßnahme das sofortige Anlegen eines Tourniquets. Dieses stoppt den Blutzufluss zu der Extremität (Bein/Arm) an welcher es angelegt wurde. Ebenso kann das verletze Bein oder der verletzte Arm hochgelagert werden, um mit der Schwerkraft den Blutverlust zu vermindern.

Exkurs zum Tourniquet

Das Tourniquet muss dann zum Einsatz kommen, wenn klar abgeschätzt werden kann, dass der Druckverband oder die Israeli Bandage die Blutung nicht stoppen können. Das Tourniquet ist immer eine Sofortmaßnahme bei einem rapiden Blutverlust und die intensivste Maßnahme, da das Anlegen mitunter große Schmerzen hervorruft. Informiert euch hier nochmal intensiver über die richtige Handhabung eines Tourniquets und übt das schnelle reibungslose Anlegen davon. Tourniquets sind Einmalprodukte und dürfen nach einmaliger Anwendung nicht nochmal verwendet werden. Transportiere dein Tourniquet immer schnell griffbereit und außerhalb der Plastikverpackung. Im Ernstfall hast du keine Zeit, es zu suchen oder auszupacken.

Kann ein X-Problem sicher ausgeschlossen werden, wird direkt mit dem A im Schema begonnen. Das A gilt nach dem X als das nächste und wichtigste zu behandelnde Problem.
Hinweis: Früher stand vor dem ABCDE-Schema ein „c“ das für „critical bleeding“ beziehungsweise „catastrophic haemorrhages“ stand. Das kleine „c“ am Anfang wurde durch den Buchstaben „X“ ersetzt, um Verwechslungen mit dem großen „C“ an vierter Stelle zu vermeiden.

A – Airway bzw. Atemwege sichern

Ein Verletzter hat ein Tourniquet am Bein angelegt. Der Helfer checkt seine Atmung.

Der nächste Schritt des X-ABCDE-Schemas ist die Überprüfung der Atemwege. Zunächst muss die Ansprechbarkeit der Person festgestellt werde. Dafür wird geprüft, ob die Person bei Bewusstsein und ansprechbar ist. Ist die Person nicht ansprechbar und nicht bei Bewusstsein ist sofort sicherzustellen, dass die Atemwege frei sind. Dies ist notwendig, um eine ausreichende Sauerstoffversorgung zu gewährleisten.
Man prüft, ob eine Atmung vorhanden ist, ob die Atemwege frei sind, und ob die Atemwege sicher sind. Um dies sicherzustellen kann man den Kopf leicht in die Neutralstellung bringen und den Mund der verletzten Person überprüfen. Dies ist beispielsweise durch den Esmarch Handgriff möglich. Sind Fremdkörper oder Erbrochenes vorhanden, muss dieses umgehend entfernt werden. Als Schlüsselinterventionen gilt ebenso die stabile Seitenlage, damit beispielsweise Erbrochenes herausfließen kann.

B – Breathing bzw. Atmung

Nachdem die Atemwege überprüft wurden, wird die Atmung der verletzten Person festgestellt. Dies kann durch Auszählen der Atemfrequenz mit Ohr über dem Mund oder der flachen Hand auf dem Bauch erfolgen. Dabei wird auf normale Atmung, unregelmäßige Atmung oder das Fehlen von Atmung geachtet. Die Atemfrequenz bezeichnet die Anzahl der Atemzüge pro bestimmter Zeitspanne, meistens pro Minute. Sie hat Auswirkungen auf die Herzfrequenz, den Blutdruck und den Sauerstoffgehalt im Körper. Bei erwachsenen Menschen liegt der normale Bereich für die Atemfrequenz in der Regel zwischen 12 und 16 Atemzügen pro Minute. Wird sicher festgestellt, dass keine Atmung vorhanden ist muss sofort mit der kontrollierten Beatmung begonnen werden, bis professionelle Hilfe eintrifft.
Ist die Atemfrequenz in Ordnung, folgt ein Body-Check bei der betroffenen Person. Also Becken, Brust, Bauch müssen gründlich, aber auch vorsichtig untersucht werden. Wird eine Becken- oder Wirbelsäulenverletzung festgestellt, darf man die Person nicht in die stabile Seitenlage bringen. Bei der Untersuchung der Brust können Rippenbrüche erkannt werden. Ist eine Lungenverletzungen sichtbar, muss eine sofortige Behandlung der Verletzung eingeleitet werden. Auch wird in desem Schritt der Bauch abgetastet. Ist der Bauch sehr hart kann von Problemen mit Organen des Betroffenen ausgegangen werden.

C– Circulation bzw. Kreislauf

Der nächste Schritt checkt das Kreislaufsystem. Hierbei werden die notwendigen Vitalparameter überprüft. Zu diesen gehören beispielsweise der Puls und dessen Rhythmus, sowie, wenn entsprechende Geräte vorhanden sind, der Blutdruck und die Sauerstoffsättigung der Person. Es gibt kleine Geräte, die den Blutdruck messen sowie die Sauerstoffsättigung anzeigen können, die auf Tour mitgenommen werden können.
Weiters wird geschaut, ob sich die Haut verfärbt. Dies wird durch allgemeines Beobachten der Haut festgestellt, ob diese eher sehr bläulich ist oder weiß. Dies geht damit einher zu überprüfen welche Körpertemperatur die betroffene Person hat. Zusätzlich kann ein Recap-Test durchgeführt werden, in dem auf einen Finger gedrückt wird und überprüft wird ob die weiße Stelle auf die der Druck ausgeübt wurde sich wieder in die normale Hautfarbe zurückverfärbt.
Wenn A, B und C abgeschlossen sind, wird evaluiert, ob die verletzte Person stabil oder kritisch ist. Verschlechtert sich ein A-, B- oder C-Problem, muss dieses wieder direkt aufgegriffen und behandelt werden. Daher ist es notwendig, auch im späteren Behandlungsprozess diese Parameter regelmäßig zu überprüfen. Es empfiehlt sich eine Dokumentation der Parameter.
Wird die Person als stabil eingestuft, wird vorsichtig auf weitere Knochenbrüche untersucht. Diese Knochenbrüche können mithilfe von Sam Splints geschient werden, um die betroffene Person vorerst etwas zu entlasten. Auch Bänderverletzungen können mit einem Sam Split (oder alternativ Stöcken) geschient werden.

D – Disability bzw. neurologischer Zustand

Der neurologische Zustand gibt Aufschluss über das Bewusstsein und die neurologische Funktion einer verletzten Person. Ist die Person in der Lage, sich zu orientieren? Gibt es Sprachprobleme? Dabei sollten die W-Fragen miteinbezogen werden und die betroffene Person sollte gefragt werden wann, wie, wo, was passiert ist. Bei D kann auch die Pupillenreaktion getestet werden. Auch wird hier nach Schmerzreizen und nach Anzeichen von Lähmungen oder Bewegungseinschränkungen gesucht. Des Weiteren kann bei Unterzuckerung Glukose bereitgestellt werden. Eine Veränderung des neurologischen Zustands kann auf eine schwerwiegende Verletzung hinweisen. Unter diesen Umständen muss unbedingt, falls noch nicht erfolgt, ein Notruf abgesetzt worden sein.

E – Exposure/ Environment bzw. Entkleiden und Untersuchen, Umwelteinflüsse beachten

Einem Mann wurde eine Rettungsdecke wie eine Kapuze am Kopf angelegt.

Bei E wird die verletze Person nochmal am ganzen Körper untersucht, um zu schauen ob dies weitere Erkenntnisse mit sich bringt. Werden weitere kleine Verletzungen festgestellt können diese dann behandelt und versorgt werden. Das Vermeiden von Hypothermie ist dabei zwingend notwendig. So kann durch das Einwickeln in eine Rettungsdecke, Wärmezugabe von Jacken oder Schlafsack, und das Aufstellen von einem Tarp bei negativen Wettereinflüssen die Lage der verletzen Person nochmals verbessert werden. Je nach Situation kann das Eintreffen der Rettungskräfte zwischen 30 Minuten und mehreren Tagen dauern.

Es sollte immer sichergestellt werden, dass die Person warmgehalten wird, die A-, B- und C-Parameter dauerhaft überprüft werden, und sinnvolle Maßnahmen ergriffen werden, um das Wohlbefinden der Person so hoch wie möglich zu halten.
Das X-ABCDE-Schema wird nicht nur im Outdoor-Bereich sondern auch im Alltag von Rettungsdiensten als standardisierte Methode angewendet. Personen in kritischem Zustand wird das Schema stets neu evaluiert und wiederholt, um sicherzustellen, dass sich keiner der Bereiche verschlechtert, oder etwas übersehen wurde. Bei richtiger und kontrollierter Anwendung des Schemas können Leben gerettet werden. Denkt immer daran – sobald ein Unfall passiert ist und die Person kritisch verletzt ist, helft ihr mit eurer Handlung. Wenn ihr nichts tut wird die Person an den Verletzungen erliegen – mit Erster Hilfe verlängert ihr die Chancen auf das Überleben. Bitte beachtet, dass die Theorie keine Praxis ersetzt. Deswegen legen wir euch ans Herz, einen Outdoor Erste Hilfe Kurs zu absolvieren.

Das passende Erste-Hilfe-Set

Damit du dir über die für die Anwendung des X-ABCDE-Schemas nötige Ausrüstung keine Gedanken machen musst, haben wir Erste-Hilfe-Sets in drei Größen zusammengestellt:
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