Pflanzen bestimmen auf Tour

 In outdoor

Unterwegs stellt sich immer wieder die Frage, welche Pflanzenarten den Wegrand schmücken und ob diese typisch für diese Region sind oder eher selten. Je nachdem, in welche schöne Gegend es für mich auf meinen Touren oder Wanderungen in Europa ging, erstrecken sich von Ort zu Ort immer wieder neue einzigartige Landschaften. Diese steckten voll unterschiedlichster Anordnung von Baum-, und Pflanzenarten in den jeweiligen Biotopen. Landschaftlich wirkten die Regionen so divers, dennoch ließen sich an so vielen Orten an denen ich war, immer wieder viele der üblichen Verdächtigen Pflanzenarten wiederfinden. Aber meist in anderer Anzahl und Struktur. Wie kann ich also auf Tour bestimmen, welche Pflanzen entlang meiner Route wachsen?

Hintergundwissen zum Artenvorkommen in Mitteleuropa

Schon in jungen Jahren lernte ich, dass je nach Klimazone unterschiedlichste Arten gedeihen können, welche charakteristisch für die jeweiligen Biotope sind. In diesen Biotopen lassen sich häufige leicht zu findende Arten entdecken, aber auch jene die selten geworden sind oder gar untypische für die jeweiligen Regionen gelten. Zunächst zu einem Hintergrundwissen, welches mir viel Verständnis über die verschiedenen Lebensräume ermöglicht hat.

Gletscher und Berge im NordkaukasusNatürliche Waldgebiete wie in Nordamerika aber auch in anderen Teilen der Erde umfassen ein reiches Angebot unterschiedlichster Baumarten welche am selben Ort wachsen. Waldgebiete Europas erscheinen dagegen eher karg, da einzelne Baumarten wie die Fichte monoton dominieren können. Die Ursache dafür geht meines Wissens auf zweierlei zurück. Ein passendes Beispiel bildet der typisch mitteleuropäischen Nadelwald, meist ein monotoner Fichtenforst der für die lokale Bevölkerung eine ideale Möglichkeit zur schnellen Holzgewinnung bot. Aber nicht nur die unzähligen Eingriffe des Menschen trugen zum Artenvorkommen in Mitteleuropa bei.

Auch die letzte Eiszeit und die unterschiedliche geologische Anordnung der Gebirge beeinflussen den Rückgang vieler Arten in Mitteleuropa. In Europa liegen die meisten Gebirgszüge, wie die Pyrenäen oder die Alpen in Ost-West-Richtung. Als sich während der Eiszeit das Eis von Norden her ausbreitete war es vielen Pflanzenarten, die auf wärmere klimatische Bedingungen angewiesen waren, nicht möglich sich nach Süden zurückzuziehen. Somit starben viele der wärmebedürftigen Pflanzenarten mit dem Vordringen der Gletscher aus.

Dagegen verläuft in Nordamerika das mächtige Gebirgsmassiv der Rocky Mountains in Nord-Süd Richtung. Die unterschiedlichen Pflanzenarten hatten in Nordamerika die Möglichkeit, sich vor den Gletschern nach Süden hin zurückzuziehen und nach dem Abschmelzen der Gletscher wieder in die ehemaligen Lebensräume zurückzukehren. So überlebten in der Nördlichen Hemisphäre auf dem Nordamerikanischen Kontinent weitaus mehr Arten als in Mitteleuropa. Da die Konkurrenz für die verbliebenen Arten in Mitteleuropa geringer war, bildeten sich an unterschiedlichen Standorten dominierende Bestände. Natürlich variieren die Bestände heute viel stärker, da die Seefahrten viele fremde Arten mit nach Europa brachten. Diese wurden kultiviert und somit etablierten sich viele exotische Arten als heute heimisch.

Pflanzen bestimmen

Und genau hier wird es umso interessanter, wenn man weiß, ob es sich um Neophyten (eingewanderte Arten) oder heimische Arten handelt, ergibt sich ein universelles Verständnis für die Regionen in denen man sich befindet. Neophyten können einheimische Pflanzenarten verdrängen und unerwünschten Druck auf diese ausüben. Je nach Neophyten gehen die wissenschaftlichen Grundhaltungen auseinander, dennoch bleibt klar das einige Neophyten auch eine Besonderheit für eine Region darstellen können.

Das Wissen zu erwerben, ob eine Pflanze häufig oder selten ist, stellt einen wunderbaren Grundstein dar, um in der Pflanzenbestimmung eine wahre Leidenschaft zu entdecken. Denn wie unvorstellbar schön war es doch, wenn ich auf mancher Wanderung in meinem Leben eine Art entdeckte, die nur noch sehr selten in der Region vorkam oder untypisch für die Region galt. Es ist eine Freude, die in einem kleinen Samen beginnt aber dennoch das Herz zum Strahlen bringt. Doch wie geht man grundsätzlich an Pflanzenbestimmung heran und welche Hilfsmittel können einen dabei unterstützen?

Naturführer

Sarek Scouting Tour WaldwegDa man nicht einfach eine ganze Enzyklopädie mit auf eine Wanderung oder eine Tour nehmen kann, gibt es heutzutage handliche Naturführer (wie beispielsweise die von Kosmos) welche kompakt die wichtigsten Informationen über die verschiedenen Arten zusammenfassen. Meist haben diese Naturführer an der Seite eine Längenmessung, um beispielsweise die Größe des Blattes oder der Blüte zu bestimmen. Aber aufgepasst, je nach Naturführer wird der Schwerpunkt auf unterschiedliche Merkmale und Arten gelegt. Bei der Wahl für meinen Naturführer hatte ich mich sowohl für einen, der nur Baum- und Straucharten umfasst entschieden, und einen, der nur Nutz- und Blütenpflanzen beinhaltet. Beim Kauf meines Naturführers über Bäume legte ich meine Priorität darauf, dass auch die Rinde im Buch mit abgebildet wurde. Denn Naturführer können den Schwerpunkt unterschiedlich setzen, so kann der eine sich speziell nur auf die Blätter der Bäume beziehen. Somit fällt aber die Bestimmung der Laubbaumarten auf Wintertouren schwer.

Daher schaut, was für euch am besten passt und anhand welcher Merkmale ihr die Pflanzen am leichtesten bestimme könnt. Bei mir sind es beispielsweise die Blätter der Bäume. Ich kann an unzähligen Blättern der Bäume beschreiben, um welche Art es sich genau handelt. Würde man mir aber Bilder von den Rinden derselben Bäume zeigen wäre ich meist überfragt. Es gibt auch Naturführer, die kompakt in einem Buch die häufigsten Baum und Blütenpflanzen abbilden und ebenso Pilz- und Tierarten aufzeigen. Es gilt also bei der Wahl seinen ganz persönlichen Schwerpunkt zu setzen. Naturführer kann man in jeder Buchhandlung erwerben und diese liegen preislich meist zwischen neun und 30 Euro.

Apps

Doch was, wenn der Naturführer daheim vergessen wurde, oder das Gewicht auf Tour kein Buch zulässt? Für den Fall nehme ich meist eine wunderbare Pflanzenbestimmungsapp auf meinem Smartphone zur Hand namens Flora Incognita. Diese App ist kostenlos, werbefrei und umfasst mehr als 4800 Pflanzenarten. Ich bin oft erstaunt, wie präzise die App ist und wie oft sie gute Ergebnisse liefert. Dennoch greife ich gerne noch daheim auf meine Naturführer zurück und checke es gegen.

Pflanzen bestimmen Lofoten NorwegenPflanzenteile mitnehmen

Auf meinen Trekkingtouren habe ich oft keinen Platz für meinen Naturführer und auch wenig Akku, da ich diesen für Notfälle sparen musste. Meine Methode war hier, eine Pflanzenschere dabei zu haben und bei ausgewählten Arten ein Blatt oder eine Blüte mitzunehmen. Die habe ich vorübergehend in meinem Reisepass zu getrocknet, um die Pflanze nach der Tour zu bestimmen. Solltet ihr Pflanzen mitnehmen, dann informiert euch bitte in Voraus über die jeweilige Region und ob dies überhaupt gestattet ist. Ebenso ist es wichtig, nie die ganze Pflanze auszureißen. Stattdessen am besten an einer Stelle, wo viele Pflanzen derselben Art gedeihen einen kleinen Teil einer Pflanze mitzunehmen. Es gibt viele Arten, die unter Naturschutz stehen und diese dürfen unter keinen Umständen geschädigt werden. Nicht zu vergessen, giftige Pflanzen sollte man ebenso nicht mitnehmen.

Foto machen

Was tun, wenn man sich nicht sicher ist, ob man einen Teil der Pflanze mitnehmen kann oder das im Zielgebiet nicht darf? Dann kann man immer noch zur guten alten Kamera greifen und ein Foto machen. Dabei ist es sinnvoll, die Blattoberseite, die Blattunterseite, den Stängel oder Stamm und die gesamte Pflanze einmal zu fotografieren. In die App Flora Incognita kann man auch im Nachhinein Fotos hochladen und die Arten bestimmen lassen.

Das Bestimmen von Pflanzen hat für mich persönlich umso mehr meine Beziehung zwischen mir und der Natur gestärkt. Pflanzenarten in fremden Regionen wiederzuentdecken, die auch bei mir zuhause heimisch sind, gibt mir ein Gefühl von Geborgenheit und Glück. Vielleicht konnte ich dich mit diesem Beitrag inspirieren die Leidenschaft des Pflanzenbestimmens für dich zu entdecken. Ich hoffe natürlich, dass die kleinen Tipps und das Hintergrundwissen hilfreich waren.


Wolfa hat eine Ausbildung als Outdoorguide und war vor kurzem im Balkan unterwegs. Mehr dazu hier. Im Sommer 2022 leitet sie gemeinsam mit Lea die Norwegen-Trekkingtour.

Empfohlene Beiträge
Peaks of Balkans - Berge mit Blumen im Vordergrund